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Digitalisierung in der Finanzierung: Weg vom “Wir müssen jetzt halt auch” Mindset

Financing the Spaces of the Future – das ist nicht nur unsere Mission bei hypcloud, sondern auch ein Thema, welches vor allem die nächsten Generationen betrifft. Daher hat sich unser CEO Michael Seeberg Zeit genommen, um mit Sophie Scheffelke, Luisa Stricker und Nicole Bonczek, Studentinnen der Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius Berlin, über die Digitalisierung der Finanzierung zu sprechen.

Hochschule Fresenius: Man sagt, dass die Immobilienwirtschaft nach wie vor ein "People's Business” sei und kein Computer das menschliche Bauchgefühl ersetzen kann. Wie stehen Sie zu dieser Aussage? 

Michael Seeberg: Immobilien sind von Menschen für Menschen gemacht – wir wohnen, arbeiten, erholen und bilden uns, pflegen und gesunden in Immobilien. Und wenn man sich in unseren Städten umschaut, dann hätte mehr Nutzerorientierung in den vergangenen Jahren sicher gut getan. Auch für die Teilnahme an Gestaltungsprozessen für Immobilien und Quartiere bietet die Digitalisierung übrigens sehr gute und neue Möglichkeiten. 

Andererseits bin ich überzeugt, dass die Entwicklung von passenden Softwarelösungen, das Kalibrieren von Algorithmen, die Auswertung und Interpretation von Datenanalysen ohne menschliches Zutun kaum sinnvoll und möglich wäre. Es braucht also in der Digitalisierung diese Erfahrungen und das Bauchgefühl.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Digitalisierung in der Finanzierung?  

Michael Seeberg: Die sehe ich einerseits kulturell bedingt: Digitalisierung sollte nicht, wird aber noch zu oft als Rationalisierungs- und Personalsparmaßnahme gesehen – dabei sind aber die Kunden- und Nutzerperspektive und die Chancen, neue Geschäftspotenziale zu eröffnen, entscheidend. Einfache, repetitive, meist manuelle und fehleranfällige Tätigkeiten technologisch zu unterstützen und zu verbessern bedeutet mehr Denkzeit für die Menschen, weniger Zeit für Dateneingaben und Abheften. 

Eine weitere Herausforderung sehe ich in der mangelnden Bereitschaft oder Fähigkeit, Kompliziertheit in Finanzierungsprodukten und Bearbeitungsprozessen zu identifizieren und schrittweise abzubauen. Auch eine Überschätzung dessen, was Technologie heute schon leisten kann, führt zu Enttäuschung und dann zu einer Unterschätzung des langfristigen Potenzials, des Investitionsbedarfs und der notwendigen Ausdauer und Beharrlichkeit.

Neben der kulturellen Dimension sicher die größte Herausforderung ist das Thema Daten. Es gibt einfach unendlich viele Dokumente, die für die Immobilie und die Finanzierung eine Rolle spielen und bisher physisch oder als gescannte pdf Dokumente vorliegen. Die Gewinnung der Informationen und Daten in diesen Dokumenten in möglichst einheitlichen oder ineinander übertragbaren Formaten ist sehr wichtig für die weitere Digitalisierung.

Darüber hinaus ist mittlerweile rechtlich vieles möglich, aber es braucht nach wie vor zum Beispiel eine persönlich geleistete Unterschrift auf dem Kreditvertrag der Bank, den Austausch von Originaldokumenten, den Notar für die Bestellung von Grundschulden usw. Eine end-to-end digitalisierte Finanzierung gibt es damit nicht, aber viele Kreditgeber gehen die Digitalisierung dessen, was möglichst ist, trotzdem an.

Wodurch kann die digitale Finanzierung für gewerbliche Immobilien Ihrer Meinung nach vorangetrieben werden? 

Michael Seeberg: Durch die aktuellen Verwerfungen an den Finanzierungsmärkten wird dem Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit sowohl von Kreditnehmer- als auch von Kreditgeberseite gewidmet. Insofern scheint sich der notwendige Veränderungsdruck nun zu entfalten. Wichtig ist, dass die Akteure nicht mit einer “wir müssen jetzt halt auch” Motivation antreten, sondern die Chancen für sich, ihre Geschäfte und vor allem ihre Kunden erkennen und in den Vordergrund stellen. 

Daneben spielen sicher Investitionen eine Rolle. Die Unternehmen schwimmen gerade nicht im Geld, Zusammenarbeit würde hier sicher an vielen Stellen Sinn ergeben. Und letztlich braucht es positive Beispiele von Projekten, sei es initiiert durch etablierte Unternehmen oder Start-ups oder in einer Partnerschaft von beiden, die zeigen, was geht und wie es gehen kann.

Wie gut werden neue digitale Finanzierungsformen, verglichen mit herkömmlichen Finanzierungsformen, von Kunden angenommen? 

Michael Seeberg: Zunehmend sind Kunden offener für digitale Finanzierungsformen, weil sie in vielen anderen Bereichen ihres Lebens bereits von digitalen Nutzererfahrungen profitiert haben und dies nun auch als Anforderung oder Wunsch an Finanzierungen stellen. Sie sehen auch den Effizienzgewinn, die höhere Transparenz, die Verfügbarkeit von Informationen und von Finanzierungen als Vorteile für ihre Arbeit. 

Herrscht bei potenziellen Kunden immer noch Misstrauen gegenüber digitaler Finanzierung? Wenn ja, warum? 

Michael Seeberg: Ich würde es nicht Misstrauen nennen, es bedarf sicher einer offenen, zugänglichen Information über das, was man anbietet, wie der Prozess ausschaut, was der Kunde machen muss und kann. Letztlich ist die Finanzierung ja nicht der Hauptzweck der Kunden, sondern das Mittel, um ihr eigentliches Geschäft, nämlich die Entwicklung neuer Wohnungen oder Büros oder die Investition in bestehende Immobilien zu ermöglichen. 

Die meisten Kunden realisieren gerade, dass ihre klassische Hausbankbeziehung nicht mehr alle Wünsche und Projekte erfüllen kann. Dies trägt dazu bei, dass sich mehr Kunden auch online nach Alternativen für die Finanzierung umschauen.

Wie hoch ist der Druck für Banken, auch ihr Geschäft auf digitale Finanzierung umzustellen?

Michael Seeberg: Der Druck auf den Banken ist sehr hoch, neben den Erwartungen ihrer Kunden kommen hier vor allem auch Kosteneinsparungen und die Erschließung neuer Geschäftsfelder als Treiber der Digitalisierung vor. Zugleich bewegen sich Banken in einem sehr stark regulierten Umfeld mit historisch gewachsenen Prozessen und IT-Infrastruktur. Das macht eine schnelle und grundlegende Digitalisierung für viele fast unmöglich und die digitale Finanzierung damit sehr teuer und langwierig. 

Denken Sie, dass die herkömmlichen Finanzierungsformen auf kurze oder lange Sicht von digitalen Finanzierungsformen verdrängt werden? 

Michael Seeberg: Ich erwarte, dass die Finanzierung vielfältiger wird und das ist auch, was wir bereits beobachten. Neben die klassischen Banken treten verschiedene andere Finanzierungsgeber wie Versicherungen, Versorgungswerke, Fonds, Vermögensverwalter, private Anleger. Eine Finanzierung besteht damit schon heute nicht mehr nur aus einem Bankdarlehen. 

Eine andere Frage ist dann die Technologie, die die Finanzierungsanbieter nutzen. Hier werden wir auf hoffentlich nicht mehr allzu lange Sicht keinen papierhaften Kreditvertrag mehr haben und Datensätze statt schlecht gescannter Unterlagen austauschen. 

Auch wird die Finanzierung fungibler, das heißt, eine Bank oder ein anderer Finanzierungsgeber wird den Kredit nicht bis zum Ende der Laufzeit behalten, sondern vorher andere Finanzierungsgeber daran beteiligen oder den Kredit weiterverkaufen. Auch hier wird Digitalisierung helfen und die notwendige technische Infrastruktur und Daten ermöglichen.